Die 2000er Jahre sind geprägt von „Influencern“. So bezeichnet man Personen, die aufgrund ihrer starken Präsenz und ihres „hohen Ansehens“ in sozialen Netzwerken, als Träger für Werbung und Vermarktung verwendet werden – das nennt sich dann Influencer-Marketing.
So weit, so unspektakulär. Aber was macht eigentlich so ein Influencer? Und wo findet man die alle?
Das Internet ist voll von Influencern und die meisten von ihnen findet man wohl auf Instagram. Es gibt praktisch kaum einen Bodybuilder oder eine Visagistin der bzw. die nicht ab einer bestimmten Follower-Zahl anfangen wird irgendwelche Produkte zu bewerben oder mit diversen Produkten "Gewinnspiele" zu veranstalten. So wie auch für kommerzielle und allseits bekannte (Fernseh) Werbespots, werden als Influencer oft Personen von Firmen ausgewählt die eine bestimmte physische Voraussetzung haben - oder einfach gesagt, Menschen die man allgemeinhin als „gutaussehend“ bezeichnen kann.
Natürlich lassen sich diverse Nahrungsmittelergänzungen, Schminke, Sportkleidung oder -Schuhe besser durch Menschen vermarkten die so aussehen als ob sie diese Produkte verwenden. Ob sie das dann im echten Leben auch tatsächlich machen, ist irrelevant. Hierbei spielt das Produkt selbst eine eher untergeordnete Rolle. Die Kunden sollen ihren Vorbildern nacheifern und die gleichen Produkte verwenden wie sie. So könnte man Influencer-Marketing wohl am ehesten beschreiben.
Spätestens an dieser Stelle werdet ihr euch wohl fragen was zum Figg das jetzt nun mit Waffen zu tun hat?! Ganz einfach! So wie viele andere Produkte aus dem Bereich „schießen“ sind auch Waffen selbst, technische Produkte.
Wenn ich mir also ein neues (Long Range) Gewehr kaufen möchte, interessiert es mich herzlich wenig irgendwelche mäßig bekleideten Mädels damit rumhopsen zu sehen. Natürlich werde ich mir solche Videos trotzdem anschauen, wenn sie irgendwo auf meiner Wall auftauchen! Aber ist suche nicht explizit danach und es trägt nichts zu meiner persönlichen Kaufentscheidung bei. Mich interessiert die Laufqualität, Drall, Kaliber, Ergonomie, MOA Vorneigung… der ganze technische Kram eben.
Wenn ich Tipps zum klempnern brauche, frage ich den Kempner und nicht dessen Frau. Wenn ich was übers Formel 1 fahren wissen möchte, frage ich Lewis Hamilton und nicht sein Grid Girl. Naja, die Grid Girls sind seit 2018 bei der Formel 1 eh verboten. Und um hier nicht in sexistische Stereotype zu verfallen – wenn ich etwas über das Fahren in der MotoGP erfahren möchte, würde ich eher Tipps von Ana Carrasco annehmen, als von ihrem Grid Boy (ja, sowas gibt’s wirklich).
Ihr versteht glaube ich worauf ich hinaus will.
Und genau deswegen gibt es in der Waffe- und Zubehörindustrie eher Waffentester (Reviewer) als Influencer. Hier geht es nämlich darum, seine Erfahrungen und sein Wissen über ein bestimmtes Produkt auf konstruktive Art und Weise zu vermitteln. Einerseits dem Hersteller und andererseits anderen Leuten gegenüber die an dem Produkt interessiert sind. Im Fall einer Schusswaffe müssen damit hunderte oder noch besser tausende Schuss abgefeuert werden, bevor man etwas über mögliche Schwachstellen sagen kann. Dies zudem unter möglichst realen Verhältnissen und in jeder Art von Witterung oder Umgebung. Denn diese Produkte werden auch von Einsatzkräften, Sportschützen und Jägern bei jeder Art von Witterung und Umgebung verwendet.
Nicht nur kleine, sondern auch viele großen und renommierten Waffen- bzw. Zubehörhersteller sind aber (anscheinend) der Auffassung, dass sie Testern etwas „schenken“ würden, wenn sie ihnen eine Waffe (und evt. Auch etwas Munition) überlassen um das Produkt ausgiebig zu testen.
Das hat sich wahrscheinlich auch die Firma SIG Sauer USA des Öfteren gedacht. SIG Sauer produziert Waffen die von Zivilisten und Behörden auf der ganzen Welt gekauft und verwendet werden. Da sollte man meinen, dass sie schon wissen was sie machen und ihre Produkte vor der Markteinführung selbst ausgiebig testen.
Nach der Markteinführung der neuen SIG P320 Pistole im Jahr 2014 wurde recht bald festgestellt, dass die Pistole bei gewissen Falltests versagt und sich ein Schuss lösen kann. Bald darauf kommt es tatsächlich zu einem Fall in dem sich ein Schuss aus der Waffe löst, nachdem sie auf dem Boden fällt und ein Polizist (in den USA) dabei verletzt wird. SIG Sauer dementiert das Problem und es kommt zu weiteren ungewollten Schussabgaben mit schwerverletzten. Nach einigen Gerichtsverfahren bietet SIG Sauer (USA) allen Käufern in Rahmen eines freiwilligen Upgrade Programms dann doch an die entsprechenden, fehlerhaften Teile zu tauschen.
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Im Jahr 2016 kommt dann der nächste Rückschlag. Das gerade erst im Vorjahr eingeführte halbautomatische Gewehr „MCX“ muss zurückgerufen werden. Auch hier kann sich ungewollt ein Schuss lösen – aber auch das Rückstoßfedern-System ist fehleranfällig und kann dazu führen, dass die Waffe komplett unbrauchbar wird.
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Aber aller guten Dinge sind bekanntlich drei. So führte SIG Sauer heuer (2020) gerade sein neues Repetiergewehr ein –
das SIG Sauer Cross. Doch auch das hat einen fehlerhaften Abzug und es kann dadurch auch hier zur ungewollten Schussabgabe mit evtl. tödlichen Folgen kommen.
Die Lösung: Rückruf des Produktes
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Das interessante dabei ist (neben der anscheinend nicht vorhandenen Qualitätskontrolle bei SIG Sauer), dass sowohl beim MCX als auch beim CROSS ein
und derselbe Reviewer – nutnfancy - Probleme mit den entsprechenden Waffen aufdeckte und es darauf einen Rückruf von SIG Sauer gab. Hätte SIG Sauer mal lieber diesem Typen das Testen überlassen.
Abgesehen vom Imageschaden müssen die fehlerhaften Produkte, die daraus resultierenden Rückrufe und die Gerichtsverfahren Millionen gekostet haben. Auch ohne weiter recherchiert zu haben, traue ich mich zu sagen, dass es wesentlich günstiger gewesen wäre, wenn SIG Sauer einige unabhängige Reviewer in den Testprozess eingebunden hätte.
Aber dafür müsste man halt auch die Arbeit und die Erfahrung anderer Menschen ein wenig wertschätzen…
Um zum Beispiel in Österreich ein halbautomatisches Gewehr testen zu wollen braucht man als Tester:
Eine WBK, einen Waffenschrank, mindestens eine zur Waffe passende Optik und muss in diversen Schießvereinen (und evtl. auch Dachorganisationen) Mitglied sein um überhaupt Zutritt zu bestimmten Schießplätzen zu bekommen. Wenn man zudem weiter als auf 300 Meter schießen möchte, muss man wieder in eigenen Vereinen Mitglied sein die auf militärischen Schießständen schießen dürfen – die wiederrum (meistens) nicht wahllos irgendwelche Leute aufnehmen.
Dann fährt man stundenlang, hunderte Kilometer weit zum passenden Schießstand. Und den ganzen Aufwand und die Kosten hat man, bevor man auch nur einen einzigen Schuss mit der entsprechenden Waffe abgefeuert hat.
Wenn man das Ganze dann auch noch dokumentieren möchte - mit Fotos oder Videos - dann braucht man natürlich auch dafür das passende Equipment. Zu dem sollte man selbstverständlich ein wenig Foto- und Videobearbeitung könne.n. Um etwaige Drehgenehmigungen muss man sich zudem auch kümmern. Naja, und etwas Webdesign wäre auch nicht so blöd, dann könnte man das Ganze auf eine eigene Webseite stellen. Und wenn man dann noch zig Stunden Freizeit hat, weil man keinen Job braucht um all das zu bezahlen, wäre die Sache natürlich perfekt.
Meine Schlussfolgerung aus der ganzen Geschichte:
Es wäre glaube ich allen geholfen, wenn entsprechende technische Produkte wie Waffen, Zielfernrohre, Entfernungsmesser und dergleichen von tatsächlichen Endanwendern getestet und evaluiert werden würden. Wenn man seinen eigenen Stolz mal ein wenig zur Seite schiebt, auch mal die Arbeit anderer anerkennt und als Team arbeitet, kommt man meiner Meinung nach wesentlich weiter.
Und bevor jetzt einer fragt, nein - ich habe persönlich nichts gegen die Firma SIG Sauer! Ich habe selbst noch nie eines ihrer Produkte gekauft und nachdem sie ihr Werk in Deutschland schließen, habe ich auch nicht vor jemals etwas von ihnen (aus den USA) zu kaufen. Ich bin auch überzeugt davon, dass sie trotz all ihrer Pannen noch immer gute Qualität produzieren – sie brauchen halt nur sehr viele Anläufe bis sie es schaffen ein Produkt tatsächlicher anwendersicher zu machen.
Und Influencer sind mir auch egal. Soll jeder mit seinem Leben machen was er will – ich behalte mir lediglich das Recht vor, gewisse Vorgänge und
Leute lächerlich zu finden ^_^
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